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Wie funktioniert Filmfinanzierung?

Experteninterview mit Olaf Kühle, ILB-Medienteam

Portrait Olaf Kühle

Olaf Kühle, Medienteam

Herr Kühle, wie funktioniert Filmfinanzierung?

Das kommt darauf an, was man unter Filmfinanzierung versteht. Wenn es um die Durchfinanzierung eines Filmprojekts geht, müssen zunächst die wichtigen Finanzierungsbausteine gesichert werden.

Viele Filmproduktionen werden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen finanziert. Die ersten Finanzierungsbausteine können zum Beispiel eine Förderung oder die Finanzierung durch einen TV-Sender sein. Die Landesförderer, wie zum Beispiel das Medienboard Berlin-Brandenburg, haben vielleicht schon eine Förderung für die Stoff- und Projektentwicklung gewährt. Dann kann der Produzent davon ausgehen, dass er wahrscheinlich eine Förderung für die Produktion bekommen wird. Damit ist der erste Baustein gesetzt.

Ein sehr wichtiges Finanzierungselement ist häufig die finanzielle Beteiligung eines TV-Senders ‒ auch bei Kinoproduktionen. Um die Zusage einer Senderredaktion sicherzustellen, muss weit vor der Produktion die Idee und das Drehbuch angenommen worden sein. Eine Senderzusage mag dafür sprechen, dass auch eine Förderung der Filmfinanzierung erfolgreich beantragt werden kann. Auch hinsichtlich weiterer Finanzierungselemente, wie beispielsweise Verleih- und Vertriebsgarantien, muss relativ frühzeitig das Interesse von Partnern eruiert werden, wenn Regie, der Plot oder Schauspieler bekannt sind.

Bis dann die gesamte Finanzierung steht, ist es aber noch ein weiter Weg, da Entscheidungstermine von Fördersitzungen oder auch der Abschluss von Verträgen nicht immer so fallen, wie es für die Planung der Produktion günstig oder erforderlich wäre. Wesentlich sind dabei die öffentlichen Förderungen, die von der Filmförderanstalt und den verschiedenen Länderförderungen im Hinblick auf die nationale oder regionale Entwicklung in wirtschaftlicher wie kultureller Hinsicht gewährt werden. Diese Förderungen können über 50 Prozent eines Filmbudgets abdecken, wenn die entsprechenden Förderbedingungen gegeben sind.

Drehen deshalb so viele große amerikanische Produktionen in der Region Berlin-Brandenburg?

Genau aus diesem Grund sind europäische Finanzierungen in den Staaten beliebt, wobei der Anteil von Förderungen innerhalb internationaler Budgets meist deutlich geringer ist. Aber natürlich muss auch die Infrastruktur und das Personal stimmen. Babelsberg und die ganze Region sind nicht mehr die verstaubte, historische Filmproduktionsstätte, sondern ein moderner Standort, an dem internationale Produktionen sehr gut arbeiten können.

In der ganzen Region sind mittlerweile Dienstleister vertreten, wie zum Beispiel hochspezialisierte VFX-Firmen. Aber der Wettbewerb ist komplex. Einerseits konkurrieren europäische Filmstandorte um internationale Produktionen und andererseits stimmt die verbreitete Ansicht auch nicht, dass es in Nordamerika keine Filmförderung gäbe. Über sogenannte Tax Credits gewähren einzelne kanadische und US-amerikanische Bundesländer zum Teil erhebliche finanzielle Anreize, damit Filmproduktionen vor Ort durchgeführt werden.

Das ist aber noch nicht alles, was Sie unter Filmfinanzierung verstehen?

Natürlich muss eine Filmproduktion durchfinanziert sein, aber das reicht noch nicht, um einen reibungsfreien Produktionsablauf sicherzustellen. Die Finanzierungen fließen dem Produzenten in der Regel später zu, als er sie benötigt.

Üblicherweise entsteht bei Drehbeginn ein besonders hoher Liquiditätsbedarf. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich Finanzierungsverträge oft noch in der Closing-Phase, sodass das Geld oft nicht unmittelbar zufließt. Ein weiterer Liquiditätsengpass entsteht in der Endphase der Produktion, weil die Schlussraten der Finanzierer erst nach Lieferung des vollständigen Filmmaterials oder nach Prüfung der Schlusskosten geleistet werden. Zu diesem Zeitpunkt liegen dem Produzenten schon weitgehend vollständige Rechnungen vor. Hier ist eine Zwischenfinanzierung erforderlich, wie sie von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) zur Verfügung gestellt wird. Gelegentlich übernehmen auch Zweigstellen von Geschäftsbanken diese Funktion. In der Regel werden solche Zwischenfinanzierungen aber mit Banken vereinbart, die über Filmerfahrung verfügen. Dazu gehört auch die Bündelung der Kompetenz in einem Medienteam, wie in der ILB.

Das heißt also, nachdem man die Finanzierung unter Dach und Fach hat, muss man noch einmal um einen weiteren Kredit kämpfen?

Genau so ist es - unser Ansatz ist es, den Produzenten parallel zu begleiten. Bei dieser Kreditentscheidung stellen wir aber neben der Unternehmensbonität vor allem auf die Projektfinanzierung und die Projektrisiken ab. Die Bonität des Produzenten muss bei einer Zwischenfinanzierung (wie der ILB-Zwischenfinanzierung von Filmproduktionen) nicht für die Darlehenstilgung gut sein, weil das Darlehen aus den bereits vereinbarten Projektfinanzierungen zurückgeführt werden soll. Die tatsächlichen Risiken liegen also vielmehr in der Zahlungsfähigkeit und der Zahlungsbereitschaft der an der Finanzierung beteiligten Partner. Das mag bei deutschen Förderinstituten und deutschen TV-Sendern unbedenklich erscheinen. Aber es gibt auch andere Finanzierungen mit ausländischen Partnern oder Vertriebsgesellschaften, bei denen im Einzelfall Risiken auftreten können.

Kann man dafür nicht Versicherungen abschließen?

Für die Filmfinanzierung verlangen wir - übrigens wie auch die anderen Fördereinrichtungen - tatsächlich ein Versicherungspaket. Dieses Paket umfasst branchenüblich die Haftpflicht-, Personenausfall- sowie Bild-, Ton- und Datenträgerversicherung. Finanzierungsrisiken werden damit aber nicht versichert. Bei internationalen und großen Filmen wird häufig ein Completion Bond-Vertrag abgeschlossen. Dabei garantiert der Versicherer die Fertigstellung des Films. Auf Basis dieser 'Completion Bond Guarantee' trägt der Versicherer in der Regel die Kostenüberschreitungen, soweit sie ein bestimmtes Maß übersteigen. Bei wesentlichen Überschreitungen kann er auch die Kontrolle über die Produktion des Films übernehmen, um den Film fertigzustellen. Ist eine Fertigstellung nicht mehr zweckmäßig, zahlt er die von den beteilgten Finanziers eingesetzten Mittel an diese zurück.
Hierbei handelt es sich aber gerade um eine Versicherung der Filmherstellung - und nicht der Filmfinanzierung. Zwar prüft der Completion Bond auch die Finanzierung des Projekts, aber Finanzierungsausfälle sind in der Regel aus seiner Haftung ausgeschlossen.

Dann kann man die Zwischenfinanzierung erst beantragen, wenn die Gesamtfinanzierung steht?

Das ist ein interessanter Punkt. Genau deshalb sollte man eine filmerfahrene Bank an seiner Seite haben, denn die Finanzierung des Films ist formal erst geschlossen, wenn alle Verträge unterzeichnet sind. In der Praxis passiert das meist während der Dreharbeiten, teilweise sogar noch später. Eine filmerfahrende Bank kann jedoch einschätzen, ob der Finanzierungsstand bereits in einem Stadium ist, das den letztendlichen Finanzierungschluss gesichert erscheinen lässt, sodass eine Auszahlung vorher erfolgen kann. Diese Erfahrung muss auch innerhalb des Entscheidungsapparats einer Bank implementiert sein, da sonst die Entscheidungen verzögert werden und der Produzent dadurch in Schwierigkeiten geraten kann.

Das hört sich sehr schwierig an ‒ benötigt man also viel Erfahrung in der Finanzierung von Filmen?

Nein, schließlich finanziert die ILB auch Abschlussfilme der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, in denen die Schlüsselpositionen der Produktion von Absolventen verschiedener Fachrichtungen der Hochschule besetzt sind. Die haben in der Filmfinanzierung eine sehr gute Ausbildung und sind daher ausreichend vorbereitet. Aber grundsätzlich sind praktische Erfahrungen in verantwortlicher Position und kaufmännische Kenntnisse sicher vorteilhaft. Die Produzenten entwickeln sich von Produktion zu Produktion auch in ihren Kenntnissen über Filmfinanzierung weiter. Man schaut sich diese Vorerfahrung bei der Darlehensvergabe ebenfalls genau an. Manche Finanzierungen sind die reinsten Kunstwerke ‒ und ich habe großen Respekt vor der Leistung der Produzenten, die so etwas kreieren und solch umfassende Netzwerke aufgebaut haben.

Dabei ist die Komplexität der Finanzierung allein kein Maßstab für die Kompetenz des Produzenten. Filme sollten so einfach wie möglich finanziert sein. Wenn das Budget nur über sehr viele Partner finanziert werden kann, ist möglicherweise das Konzept des Films für die geplanten Herstellungskosten nicht gut genug. Andererseits gibt es sehr hoch budgetierte Filme, die ‒ zumindest in Europa ‒ nur mit sehr vielen Finanzierungspartnern realisierbar sind.

Man sollte sich auch darüber klar werden, welches Ziel man mit einem Filmprojekt verfolgt ‒ geht es darum, einen finanziell erfolgreichen Film zu machen oder trägt man sich schon seit langem mit einem künstlerischen Projekt, das man schon immer machen wollte und braucht nur noch eine Finanzierung dafür.

Sie meinen also, man sollte sich zwischen Kommerz und Kunst entscheiden?

Das ist nicht die Frage, auch ein Arthouse-Film kann ein großer finanzieller Erfolg werden, das ist eine Erfahrung, die wir in unserer Gap-Finanzierung gemacht haben. Arthouse Filme können wesentlich niedriger budgetiert sein und laufen häufig lange im Kino. Wenn sie den Nerv des Publikums treffen, kann man mit ihnen sehr gut verdienen. Vermeintlich kommerzielle Filme stehen mitunter in starkem Wettbewerb im Kino und müssen ‒ abhängig von der Projektidee ‒ ein höheres Budget haben, um bestimmte Darsteller zu gewinnen.

Das klingt nach rein wirtschaftlichem Denken und nicht nach filmischem Herzblut.

Es gibt Projekte an denen viel Herzblut hängt, die aber trotzdem keine ausreichende Finanzierung zu finden scheinen. Das Problem vieler Produzenten ist vielleicht, dass sie bereits soviel in die Entwicklung von Drehbüchern investiert haben, dass sie den Film unabhängig von der Qualität des Stoffes realisieren müssen, um eine verlustwirksame Abschreibung dieser Investitionen zu vermeiden. Besser ist es, ein Projekt hat ein Potential, mit dem sich die notwendige Finanzierung in einem überschaubaren Zeitraum einwerben lässt.

Filmisches Herzblut braucht man aber auf jeden Fall, denn man muss die Finanziers von der Idee und dem Drehbuch überzeugen.

Was für Filme sollte man Ihrer Meinung machen?

Blickt man auf den deutschen Film, sind zur Zeit im Kino Familien- und Kinderfilme und Komödien sehr erfolgreich, das heißt: erfolgreich an der Kinokasse. Der Gewinn des Produzenten ist jedoch das, was nach Abzug der Verleihprovision und Verleihvorkosten sowie sonstiger Beteiligungen übrig bleibt. Das kann bedeuten, dass der Produzent, auch bei einer vermeintlich sehr erfolgreichen Verfilmung, letztlich mehr an dem vereinbarten Produzentenhonorar als an dem Einspielerlös verdient.

Was ist das Besondere bei der ILB-Filmfinanzierung?

Wir sind eine Landesförderbank, deren Ziel es ist, im Medienbereich nicht in erster Linie Gewinne zu erwirtschaften, sondern die Filmunternehmen in der gemeinsamen Medienregion Berlin und Brandenburg zu stärken. Das bedeutet, dass die Filmproduktion mit der Region verbunden sein muss. Das Filmunternehmen hat seinen Sitz in der Region, oder ein Teil der Produktion findet hier statt. Die Praxis zeigt, dass dieser regionale Fokus nicht einschränkend wirkt. So haben wir viele internationale und interkontinentale Filmproduktionen mitfinanziert, darunter auch den ersten Spielfilm aus Saudi-Arabien.

Für unsere Filmfinanzierungen ist eine Förderung über das Medienboard Berlin-Brandenburg nicht Voraussetzung.

Was sollte man bei internationalen, größeren Produktionen beachten?

Insbesondere bei anglo-amerikanisch mitfinanzierten Projekten haben die beteiligten Anwaltskanzleien erheblichen Einfluss auf die Verträge. Diese werden dadurch aber nicht etwa transparenter und klarer. Der Produzent sollte jederzeit wissen, was vereinbart ist. Simple Einflüsse können ein Filmprojekt scheitern lassen, z. B. wenn plötzlich der Hauptdarsteller oder der Regisseur aus dem Projekt aussteigt. Man sollte also mit wasserdichten Verträgen arbeiten, die man möglichst auch selbst versteht.

Können Sie noch einen praktischen Tipp geben, worauf man als Produzent achten sollte?

Das mag banal klingen, aber es ist immer gut, wenn weitgehend vollständige Unterlagen eingereicht werden, welche gut strukturiert sind, mit einem nachvollziehbaren Liquiditätsplan, z. B. in Form einer Excel-Tabelle.

Und gegenüber der Bank sollte man unbedingt mit offenen Karten spielen. Das Filmgeschäft ist traditionell ein Eye-to-Eye-Business, bei dem man seinem Geschäftspartner vertrauen will.

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